Interview & Test: Thommen Customs und Morpho SailsFoto: Marius Gugg
Interview & Test: Thommen Customs und Morpho Sails

Unter dem vielversprechenden Namen „Gleitwunder“ soll der neue Freerider von Thommen Customs verloren gegangene Qualitäten zurückbringen – müheloses Angleiten bei Leichtwind und einfaches Fahrverhalten. Was sich hinter dem Konzept verbirgt und was Morpho Sails damit zu tun hat, haben wir Mitentwickler Mark Thoms gefragt und auf dem Wasser ausprobiert.

Mark, in Zusammenarbeit mit Shaper Peter Thommen vertreibst du die Marke Thommen Customs. Wo werden die Boards gebaut und was ist eure Philosophie?

Schon seit 2004 ist es unsere Philosophie, Boards zu bauen, die tatsächlich auf dem Markt gebraucht werden. Die Prototypen werden von Peter Thommen in Scheveningen gebaut. Wir haben eine CNC-Maschine und testen vor Ort. Produziert wird bei Cobra in Thailand.

Warum landet man letztendlich aus Hersteller immer bei Cobra?

Wir haben schon Prototypen bei allen anderen Herstellern machen lassen. Wir waren in Tunesien und in China. Letztlich ist die Qualität bei Cobra aber einfach am besten und man bekommt die gewünschten Materialien eingebaut und zum vereinbarten Termin. Viele unterschätzen, wie schwer es ist, ein Windsurfboard zu bauen.

Ihr sprecht mit eurer Boardrange vor allem neue Windsurfer und solche an, die ein eher niedriges Fahrkönnen haben, oder?

Nicht nur! Natürlich haben wir auch Boards für erfahrene Surfer. Aber wenn, wie neulich erst, Leute mit über 70 bei uns ein Modell des „Gleitwunders“ bestellen, bereitet mir das mehr Freude als ein Brett für einen Profi zu bauen. Viele Wochenend-Windsurfer sind frustriert, weil sie nicht richtig ins Gleiten kommen. Deshalb haben wir vor drei Jahren unser Modell „Gleitwunder“ entwickelt, ein Shape, der klassisch-gestreckt ausfällt und an alle adressiert ist, die auf den kurzen Boards von heute nicht klarkommen oder einfach noch früher gleiten wollen. Das Brett ist mit 265 Zentimetern recht lang und hat eine flache Bodenkurve für ex­trem harmonisches Angleiten. Die Gleitschwelle der kurzen Bretter existiert damit nicht.

 Mark Thoms präsentierte seine Produkte auch auf der boot DüsseldorfFoto: Thorsten Indra

Mark Thoms präsentierte seine Produkte auch auf der boot Düsseldorf

Ihr empfehlt das Modell „Gleitwunder“ mit kurzer Finne. Wie kommt’s?

Große Freerideboards sind meist mit langen Finnen über 45 Zentimetern ausgestattet. Diese sollen beim Angleiten den nötigen Auftrieb liefern. Sobald man gleitet, ist eine lange Finne aber nur hinderlich: In starken Böen produziert sie zu viel Auftrieb, die Kontrolle leidet, vom Einsatz in Revieren mit flachem Wasser ganz zu schweigen. Unser Weg ist anders: Wir bauen die Boards länger, dadurch wird die Gleitfläche im Unterwasserschiff flacher und die Kante länger, was Angleiten und Höhelaufen verbessert. Das ermöglicht die Verwendung kurzer Finnen, was wiederum der Kontrolle in starken Böen zugutekommt.

In welchen Bauweisen wird das Gleitwunder angeboten und was wird es kosten?

Es wird ab dem Sommer die Thommen Sail­boards geben, dass sind bei Cobra hergestellte Serienboards. Die Preisspanne liegt zwischen 1500 Euro für die Basisvariante und 2000 Euro für eine LTD-Version. Außerdem gibt’s schon die Thommen Custom-Linie, Made in Holland, wo man einen bestimmten Shape in verschiedenen Bauweisen von extra-leicht bis extra-stabil bekommen kann. Die Preise hierfür: Ab 2550 Euro. Der Vertrieb erfolgt über mark@thommen1.com, die Serienbretter werden über ein Händlernetzwerk verfügbar sein.

Du hast mit Morpho Sails ein weiteres eigenes Projekt gestartet, warum?

Ich war lange Jahre selbst Importeur für verschiedene Marken und betreibe zwei Surfshops in Holland, Gearfreak. Dabei habe ich gemerkt, dass die Sache viel zu kompliziert geworden ist: 3-Latter, 4-Latter, Powerwave, Freewave, Freeride, usw. Alle Modelle in zehn Größen und drei Farben. Wie soll da ein Shop noch beraten können und die Sachen alle vorrätig haben? Deswegen versuche ich es simpel zu halten und biete eine einzige Segellinie an, die sich, je nach Größe, an den Einsatzbereich anpasst. Daher auch der Name „Morpho Sails“. In kleinen Größen unter 5,3qm ist es ein Wavesegel, in mittleren Größen mehr Allrounder und in großen Größen wird ein Freeridesegel daraus. Die gängigen Modellpaletten der Hersteller sind oft zu groß, das treibt die Kosten für Entwicklung und Produktion.

 Das Morpho Sails konnten wir im Windbereich von zehn bis 18 Knoten testenFoto: Marius Gugg

Das Morpho Sails konnten wir im Windbereich von zehn bis 18 Knoten testen

Die großen Freeridegrößen über 7qm sind deiner Aussage nach ebenfalls auf frühes Gleiten ausgelegt…

Genau. Das 7,6er beispielsweise kommt ohne viel Loose Leech aus, man sollte es nicht so aufriggen, dass das komplette Achterliek Falten wirft. Es reicht, wenn sich das Achterliek im Bereich der oberen beiden Latten etwas lockert. Das Segel soll sich früh aufladen und damit schon bei wenig Wind viel Leistung entwickeln – passend also zum Gleitwunder-Brett.

Danke Mark für das Interview!

Test: Thommen Gleitwunder

Der Selenter See erschien uns als Testrevier für das „Gleitwunder“ perfekt. Mit Segeln zwischen 6,4 und 7,6 qm haben wir ausprobiert, ob der Name des Modells Programm oder nur Wunschdenken ist.

An Land:

Das 165 Liter große Board trägt man auf dem Weg ans Wasser überaus entspannt – der integrierte Griff macht’s möglich. Die Bodenkurve fällt flach aus, im Bereich der Kanten wird die Brettdicke über einen Step massiv reduziert – das bringt Volumen im Mittelbereich, gepaart mit dünnen Rails.

 Der Tragegriff im Deck ist Gold wert

Der Tragegriff im Deck ist Gold wert

Auf dem Wasser:

Das Gleitwunder liegt stabil und ausgetrimmt im Wasser, wenngleich es um die Längsachse einen Ticken wackliger wirkt als andere Bretter mit vergleichbarem Volumen und dickeren Kanten. Dafür verzeiht der gestreckte Shape beim Angleiten auch mal einen Belastungsfehler – das Brett zieht spurtreu los, und auch wenn man beim Weg nach hinten das Heck etwas zu stark belastet, dreht das Board nicht sofort ungewollt in den Wind. Windsurfer, die das Gleiten gerade erst lernen, profitieren von dieser Charakteristik. Der Übergang ins Gleiten erfolgt sehr harmonisch und kaum spürbar ohne Gleitschwelle, der Segelzug wird direkt in Vortrieb umgesetzt. Da unsere Testfinne mit 37 Zentimetern allerdings für ein Brett dieser Breite recht klein ausfiel, war ein leichter Raumwindkurs beim Angleiten hilfreich. Die Beschleunigung des Gleitwunders ist so, wie man es von einem 165-Liter-Brett erwarten kann – nicht druckvoll, aber durchaus ansprechend. Im Vollgleiten läuft der Thommen kontrollierbar und ist einfach zu surfen, starke Böen ignoriert der Shape stoisch, die Gefahr, dass der Bug unkontrolliert steigt („Wheelie“), ist gleich null. Die Schlaufen sind auch für Aufsteiger gut zugänglich, liegen sie doch recht weit innen. Weil das Brett in der Mitte dick, im Kantenbereich aber dünn ist, steht man im Gleiten angenehm auf einer Rundung – unkomfortables Überstrecken der Fußgelenke entfällt dabei. Nur auf der Kreuz hätte sich unser 90 Kilo schwerer Testfahrer etwas mehr Lift, sprich eine geringfügig größere Finne, gewünscht, damit das leichte Einsetzen der Luvkante in den Chop minimiert wird. In der Manövern profitiert man beim Wenden von der gestreckten Form, auch wenn der Seitenwechsel mal wieder etwas länger dauert, bleibt der Bug brav oben. Gleithalsen kann das Brett ebenfalls gut: Mittlere und weite Halsenradien liegen dem Board eindeutig am besten, dann gleitet der Thommen auch gut durch die Kurve. Eng zu drehen gelingt trotz der dünnen Kanten kaum, von einem 165-Liter-Brett muss man dies aber auch nicht zwingend erwarten.

 Das „Gleitwunder“ ist im Centerbereich recht dick, hat aber dünne Kanten – dadurch ergibt sich ein markanter Step im DeckbereichFoto: Manuel Vogel

Das „Gleitwunder“ ist im Centerbereich recht dick, hat aber dünne Kanten – dadurch ergibt sich ein markanter Step im Deckbereich

surf-Fazit Thommen Gleitwunder:

Wer Gleiten und Schlaufensurfen erst lernt und in erster Linie schnell und unkompliziert angleiten und in die Schlaufen kommen will, wird vom Modellnamen sicher nicht in die Irre geführt. Weil auch die Kontrolle bei mehr Wind überzeugt, kann man dem Gleitwunder einen großen Einsatzbereich attestieren. Der Plan, das Board mit kurzer Finne anzubieten, geht weitgehend auf, unsere Empfehlung wäre eine 35er Finne für Surfer/-innen unter 75 Kilo, für schwere Brocken über 90 Kilo eine 38er. Besonders gut passt das Konzept zu camberlosen Freeridesegeln, die sich schon bei wenig Wind gut aufladen. Als Untersatz für Camber- oder gar Racesegel ist das Gleitwunder hingegen nicht konzipiert – Schlaufenpositionen, Finnenabstufung und vor allem die gutmütige Fahrcharakteristik sind dafür unpassend.

Infos unter www.thommen1.com

 

Test: Morpho Sails 7,6

An Land:

Das Morpho Sails verwandelt sich, je nach Größe, vom Wavesegel zum camberlosen Freeridesegel. Auch die Testgröße mit 7,6qm wurde von José Fernandez designt. Die Materialien wirken im gesamten Segelbereich überaus solide, Gittermaterial und eine entsprechende Materialstärke lassen das Segel sehr wertig erscheinen. Das Segelfenster aus dehnbarem PVC fällt relativ klein aus, die Durchsicht ist dadurch nicht ganz ideal. Aufriggen sollte man das Morpho in der Tat mit vergleichsweise moderater Vorliekspannung, dafür darf man an der Gabel durchaus einige Zentimeter mehr ziehen, als man dies von gängigen Freeridesegeln gewohnt ist.

 Morpho Sails mit flachem Profil und einem Fenster aus PVCFoto: Manuel Vogel

Morpho Sails mit flachem Profil und einem Fenster aus PVC

Auf dem Wasser:

Obwohl das Segel ohne Winddruck sehr flach und mit nur leicht vorgeformtem Profil daherkommt, zieht sich mit dem Dichtholen doch sofort ein markantes Profil ins Segel. Das Morpho liegt ausbalanciert und ruhig in der Hand, man bekommt sofort etwas Grundzug auf die Segelhand, was das Überschreiten der Gleitschwelle erleichtert. Auch Anpumpen kann man das weiche Profil durchaus gut, in Verbindung mit einem gut gleitenden Untersatz hat man beste Voraussetzungen die Gleitschwelle schnellstmöglich hinter sich zu lassen. Angepowert wirkt das Segel dann ebenfalls kraftvoll, kleine Lastwechsel in den Böen bleiben allerdings im Mitteltrimm nicht ganz aus. Wird es richtig windig, ist Umtrimmen angesagt, denn das weiche Profil schafft es dann nicht mehr, den Segeldruckpunkt dauerhaft zu stabilisieren. Das Handling in Manövern hingegen kann sich absolut sehen lassen, das flache Profil und die butterweiche Rotation machen Halsen und Manöver wirklich easy.

 Das Morpho Sails 7,6 wird auf einem dünnen Rdm-Mast empfohlenFoto: Marius Gugg

Das Morpho Sails 7,6 wird auf einem dünnen Rdm-Mast empfohlen

surf-Fazit Morpho Sails:

Das Morpho Sails ist ein gelungenes Frühgleitkonzept – mit geringen Trimmkräften, weicher Grundcharakteristik und viel Power punktet es bei Surfern, die schon bei wenig Wind ein “kleines” Segel fahren wollen und von Tüchern über acht Quadratmeter aus Prinzip die Finger lassen. Zum Cruisen und genüsslichen Heizen bei Leichtwind und auf Freerideboards eignet sich das Morpho Sails damit richtig gut. Wer gerne ambitioniert Gas gibt und auch mal ein Freeraceboard unterschnallt, dürfte etwas Windrange und Kontrolle bei starken Böen vermissen – Konzepte mit mehr Grundspannung und stärker vorgeformtenm Profil leisten dann bessere Dienste.